Florian Weiss' Woodism

Alternate Reality


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2021 / nwog036


Line-Up:

Florian Weiss

Linus Amstad

Valentin von Fischer

Philipp Leibundgut



Wenn ein völlig neues Stück Musik schon beim ersten Hören den spontanen Eindruck auslöst, man würde es seit Jahrzehnten kennen, ist das ein seltener Glücksfall. Auf „Alternate Reality“, das dritte Album der schweizerischen Band Woodism um den Posaunisten Florian Weiss, trifft das zweifelsfrei zu. Die zehn mit Posaune, Saxofon, Kontrabass und Schlagzeug sowie in ausgewählten Momenten mit Flöte und Glockenspiel eingespielten Tracks wirken so vertraut wie ein warmer Mantel im Schneesturm. Alles ist ganz neu und aufregend, und trotzdem wird es auf Anhieb zu körpereigener Musik.

Florian Weiss greift seine Kompositionen mitten aus dem Leben. Beinahe im Vorübergehen findet er winzige Ideen, die er mit einer ureigenen Mischung aus Neugier, Weltsicht und Lebenserfahrung anreichert, auf dass komplette Erzählstränge daraus werden. Dazu braucht er kein Konzept, sondern er kann auf seine Impulse und Instinkte vertrauen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Florian Weiss’ Songs sind keine Programmmusik. Er komponiert keine Blumensträuße oder Wassergläser, sondern in seine Tracks fließt ein, was er kennt und im Lauf seines Lebens aufgesogen hat. Er ist ein warmherziger Erzähler, den individuellen Narrativ für seine Fabeln zu finden, überlässt er aber seiner Hörerschaft. Der Schlüssel zur faszinierenden Zugänglichkeit dieser Musik liegt in ihrer Einfachheit, ohne dass sie deshalb jemals beliebig würde. Im Gegenteil, die Erkennbarkeit von Stimme und Handschrift ist ein unverzichtbares Merkmal des Albums. Diese verführerische Nahbarkeit basiert unter anderem auf dem gezielten Verzicht auf ein Harmonieinstrument. Das kollektive Klangspektrum der Band erinnert an die Palette eines Malers, der aus den vorhandenen Farben alles rausholen kann, was er für ein Bild oder eine ganze Bilderfolge braucht.

In diesem Sinne ist „Alternate Reality“ in Zeiten der inneren und äußeren Entfremdung ein unüberhörbares Zeichen der Zuversicht und des offenen aufeinander Zugehens, das – und darüber besteht kein Zweifel – lange über die unmittelbare Gegenwart hinaus strahlen wird.




Photo: Sara Götz